Wir befinden uns in der Mitte eines kleinen, überschaubaren Universums. Auf einer begrenzten Scheibe versuchen wir, uns so recht und schlecht ein angenehmes Leben einzurichten. Jeder unserer verantwortungsvollen Kapitäne hat es im Gefühl, wann er sein Schiff wenden und wieder zum Heimathafen steuern soll. Freilich, manch einen juckt es schon, einmal den Rand kennenzulernen und darüber hinauszuschauen. Aber man hat uns ja „wissen“ lassen: Kommt man an Grenzen, tun sich Abgründe auf. Ach, du lieber Gott! Es ist ein Kreuz mit dem Ende der Welt. Und eines weiß man selber ganz sicher: Man will um alles auf der Welt nie eine Kreuzschifffahrt mitmachen müssen…
Es ist tatsächlich noch gar nicht allzu lange her, dass man so über die eigene Existenz gedacht hat, und es ist erstaunlich, dass es diese Einstellung mancherorts noch immer gibt. (Da meine ich aber nicht, dass eine Kreuzschifffahrt zum Speiben ist.)
Nun gut, den „Rand“ der Welt – die Grenze des uns Bekannten – erweitern wir mit jedem Tag: Unser Wissen wächst seit dem Babyalter, sei es im individuellen Fall oder in jenem der gesamten Menschheit.
Obwohl wir bis heute erstaunlich viel über die Welt gelernt haben, bleiben oft zahlreiche fundamentale Fragen nach wie vor für uns unbeantwortet. Warum werden liebgewonnene Menschen krank? Was passiert nach dem Tod? Welchen Sinn macht das alles? Immer schon lösten solche Fragen ein gewisses Unbehagen aus und wir scheuten uns davor, über den „Rand“ unseres Wissenshorizonts zu schauen – aus Angst vor Antworten, die wir möglicherweise gar nicht hören wollen.
Es ist durchaus verständlich, dass wir bereits in den frühen Jahren der Menschheitsgeschichte versuchten, die vielen Lücken mit sinngebenden Inhalten zu füllen. Der Glaube an Übernatürliches und an eine Art göttliche Fügung wurde gewissermaßen gleichzeitig mit uns geboren. Später wurde er institutionalisiert und von Organisationen diktiert. Angst war eines jener Mittel, mit welchem Menschen an diese Organisationen gebunden wurden – dabei wurde ihre Freiheit im Denken nicht nur eingeschränkt, sondern das Denken sogar vorgegeben. Unzählige Verbrechen wurden begangen, Kriege geführt, zahllose Menschen starben und sterben – alles unter dem Vorwand irgendeines göttlichen Willens.
Angst – ja, Angst kann grausame Dinge bewirken.
Nicht nur gab es aber düstere Zeiten. Menschen sind ja grundsätzlich neugierige Wesen und schon ganz bald erlangte man eine Erkenntnis, welche den zukünftigen Verlauf der Geschichte für immer verändern sollte: Die Welt scheint beschreibbar zu sein – es gibt beobachtbare, sich wiederholende und überdies hinaus sogar vorhersagbare Muster in der Natur.
Lange sollte es zwar dauern, bis begonnen wurde, diese Muster analytisch und unter Benutzung einer wissenschaftlichen Methodik (im modernen Sinne) zu betrachten. Doch schließlich war der Weg zu den Gesetzen der Natur geebnet. Alteingesessenes Denken musste über den Haufen geworfen werden, so z.B. als man erkannte, dass die Erde nicht das Zentrum des Universums ist oder es geradezu lächerlich erscheinen muss, den Menschen als die “Krone” irgendeiner Schöpfung zu bezeichnen.
Obwohl z. B. die Kirche gerade diesen Erkenntnisgewinn anfangs unterbinden wollte und die Geistesentwicklung dadurch enorm verzögert hatte, so konnte sich das durch Beobachtungen angeeignete Gedankengut über die Welt und das Universum immer mehr durchsetzen und man beispielsweise den Mut fassen, gesellschaftliches Zusammenleben auf den Grundfesten von (in idealster Weise) humanistischem Geistesgut aufzubauen, anstelle von dogmatischen, oft schwarz-weißmalerischen und mit Angstmache verbundenen kirchlichen Lehren.
Stetig wachsende Einblicke in die Gesetze der Natur und ihre geschickte Nutzung in Form von Technik erweckten vermutlich den Eindruck des Menschen als eine Art “Herrscher über die Welt”. Der Einfluss und die Präsenz der Institution Kirche in unseren Alltagsleben begann immer mehr zu schwinden.
Allerdings stieß der naturwissenschaftliche Erkenntniszuwachs wiederum neue Tore auf. So glitt der Mensch, wie bereits oben angedeutet, von seiner ehemaligen Mittelpunktstellung im Kosmos in Anbetracht der Immensität des Universums immer mehr in die Unbedeutsamkeit seiner Existenz ab. Er wurde winzig und irrelevant auf der kosmischen Bühne der Realität. Durch die systematische Beschäftigung mit der Natur wurde seinem Leben jeglicher höherer, vorherbestimmter Sinn genommen.
All die Antworten auf die fundamentalen Fragen blieben nach wie vor unbeantwortet.
Eine Sache aber bleibt, und bringt Hoffnung: Das Universum scheint beschreibbar zu sein.
Durch jahrhundertelanges Erforschen der Welt unter Zuhilfenahme der wissenschaftlichen Methode haben wir viel erreicht und letzten Endes unsere Alltagsleben auf fast allen Ebenen immens erleichtert. Wir sind in der Lage zu erklären, wie sich solch komplexe Lebensformen wie wir Säugetiere entwickeln können (Evolutionstheorie), wir kennen die Grundbausteine der alltagsbestimmenden Materie im Universum und ihre Wechselwirkungen (Standardmodell der Teilchenphysik), wir stehen möglicherweise an der Schwelle zu einer Zeit, in der Krebs heilbar ist, in der wir die Frage nach weiterem Leben im Universum klären können, in der die ersten Schritte in Richtung einer Kolonialisierung eines anderen Planeten (Mars) unternommen werden, usw…
Alles begann mit der Erkenntnis, das Universum scheine beschreibbar zu sein.
Einen Haken an der Sache gibt es allerdings: Es sieht so aus, als wäre die “Sprache” des Universums die Mathematik. Für Leute, die nicht einen großen Teil ihrer Zeit für dieses Beschäftigungsgebiet aufbringen, ist es dadurch schwierig, die etablierten physikalischen Modelle zu verstehen. Allerdings bin ich der Überzeugung, dass grundsätzlich jeder etwas von der Physik bzw. allgemeiner von der Wissenschaft verstehen und sich dafür begeistern kann, sofern sie auf eine anschauliche und verständliche Art übermittelt wird. Wen interessieren Fragen, wie z.B. “Gibt es andere Planeten, die Leben beherbergen?”, “Wie ist das Universum entstanden?” oder „Ist unser freier Wille tatsächlich nur eine Illusion?“, nicht irgendwo im tiefsten Inneren?
Wissenschaft zu betreiben, bedeutet im Grunde nichts anderes, als solchen Fragen mit einem offenen Geist nachzugehen.
Überdies hinaus wird die Welt durch die Beschäftigung mit der Physik auf eine gewisse Art “entmystifiziert” – dadurch werden fundamentale Ängste vor dem Unbekannten genommen und durch enorm kraftvolle Freiheiten ersetzt. Oder anders gesagt: Auch wenn die Wissenschaft immer noch nicht in der Lage ist, alle Antworten zu liefern, so macht es den Anschein, dass sie die beste bisher gefundene Art der Erkenntnisgewinnung ist und wir viele der hier angesprochenen fundamentalen Fragen irgendwann in naher Zukunft durch Anwendung ihrer Methode finden können werden.
“I don’t feel frightened by not knowing.” – Richard P. Feynman
Dieser Text stellt nur eine Einleitung für weitere dar. In zukünftigen Beiträgen werde ich versuchen, verschiedene Dinge aus dem Bereich der Wissenschaft (v.a. der Physik) in möglichst verständliche Sprache zu fassen und meine Begeisterung für sie zu teilen. Ich möchte euch einladen, mir in zukünftigen Artikeln auf der gedanklichen Reise in kleinste und größte Dimensionen der physikalischen Welt zu folgen und gemeinsam zu staunen, wie überraschend (anders) die Welt in diesen Bereichen zu sein scheint.
Kleine Vorschau: Das nächste Mal soll es um eine der größten (wenn nicht ‘die’ größte) Entmystifizierungen unserer Welt durch wissenschaftliche Erkenntnisse gehen, wobei wir erfahren werden, auf welche dennoch höchst „magische“ Weise wir mit dem Rest des Universums verbunden sind.
In der Zwischenzeit könnt ihr mich auch gerne in meinem Blog besuchen.
Header-Bild: Handschrift von Isaac Newton. (Quelle: Cambridge University Library)
Text von Sebastian Templ