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Als Kind hab ich beim Fangenspielen das eine Mal im Kowi, das andre Mal im Leo Schutz gesucht. Das U-Bahn-Fahren war mir immer schon lustig, und auch das Runterrollen auf den Gahbergwiesen und das Blumenpflücken dort. In Wien bin ich eigentlich aus Oberösterreich und in Oberösterreich bin ich eigentlich aus Wien. Meistens muss ich die Leute näher aufklären (in Österreich will man ja immer ganz genau wissen, wo jetzt jemand her ist), das geht dann so: Meine Eltern sind aus Oberösterreich, haben aber in Wien gelebt; ich bin in Wien geboren und bis zu meinem zehnten Lebensjahr aufgewachsen. Danach sind wir nach Oberösterreich übersiedelt und ich habe da meine Jugend verbracht, straight nach der Matura bin ich wieder zurück nach Wien. So. Und dann fragen mich die Leute: Und, vermisst du Wien eigentlich? Und ich sage immer, ausschließlich: Ja. Warum ich Wien vermisse? Weil ich jetzt in Oberösterreich lebe. Mit Mann und Kind und Haus. Nicht, dass man mich gezwungen hätte! Nicht, dass man mir ein „Schicksal auferlegt“ hätte! Nicht, dass ich ein nie gewolltes unemanzipiertes Leben als Desperate Housewife am Herd (mit neugierigem Blick auf die Nachbarhäuser) führen würde! Nicht, dass ich keine Luxusprobleme hätte. Und die gehen so: In Wien war ich immer – sofort! – daheim. Im Gegensatz zu meinen Freundinnen, die auch nach der Schule (in Oberösterreich) nach Wien gezogen sind, hatte ich nie – nie! – ein Problem mit den grantigen Wienern. Im Gegenteil: Ich fand die Wiener nicht grantig! Und wenn, dann fand ich es sehr angenehm, wie sie grantig waren, da konnte man ungestraft zurückgranteln. Oder extra deppert freundlich sein. Die eisigen Gesichter in Bim und Bus: wie entspannend! Keinen interessiert, wie ich ausschaue, was ich mache, welche Musik ich höre, ob ich auch schön grüßen kann oder ob ich mir fünf oder sechs Ringe durch die Unterlippe hab stechen lassen und warum. Keinen interessiert, wessen Tochter, Freundin, Frau oder Mutter ich bin. Hier schwimme ich einfach mittendrin, einfach so dahin. Schwimmte. Schwamm. Schwomm.

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Wien ist eine Stadt, die einen entweder mag oder nicht. Nicht wie Berlin (ja, auch dort war ich schon, nein, nicht nur zu Besuch, und wieder ja, das dicke B ist Pflicht), wo einfach jeder sein kann, wie er will und was er will – in Wien bist du willkommen oder du bist es nicht. Aus. Das mag man ruhig kritisch sehen! Ich jedenfalls habe mich immer willkommen gefühlt. Außer vielleicht, wenn ich wieder in ein Hundstrümmerl gestiegen bin. Außer vielleicht, wenn ich mein Kind gerade noch vor dem in der U-Bahn herumstolpernden Junkiepärchen aus dem Kinderwagen gerettet habe. Außer vielleicht, wenn in der Straßenbahn der Kerl hinter mir „Heast, wos is mid deim Koffa, du Oaschloch“ gesagt hat. Aber das sind Klischees. Oder?

Jedenfalls bin ich ein freier Mensch. Frei und schlecht. Ich bin frei und mir ist schlecht! (Das ist jetzt von Ernst Jandl, leidergottes nicht von mir.) Und habe mich frei entschieden, mit Kind und Kegel das „Abenteuer Landleben“ zu wagen. Und wie ich mir das immer so formuliere – meine innere Stimme schummelt zwischen „Abenteuer“ und „Landleben“ ein „borniertes“ – es klingt doch reichlich respektlos. Respektlos gegenüber allen, die sich nicht frei entscheiden können, wo sie wohnen wollen, weil sie gar nicht wohnen können, nirgendwo. Aber nicht zuletzt respektlos gegenüber meinen Eltern, meinen Großeltern, die hier, „auf dem Land“, leben, und zwar gerne. Und mir meine Residenz hier auch ermöglicht haben. Davon aber ganz abgesehen löst dies alles mein Luxusproblem nicht, und zwar, dass ich jetzt hier bin und mir nicht sicher bin, ob ich das auch so will! Man hat mich bereits „Tiefwurzler“ genannt, das bin ich bestimmt auch, ich konnte mich noch nie an mehreren Orten daheim fühlen – wie sehr habe ich mich damals mit 18 gefreut, dass ich mich nicht mehr als armes Scheidungskind an zwei Orten zu Hause fühlen muss, sondern als erwachsenes Kind geschiedener Eltern woanders zu Hause sein kann und bei beiden Eltern nur mehr Gast. Aber wo wurzeln jetzt die tiefen Wurzeln?

Ich glaube, ich geh mal Rasen mähen.
Rasenmäher

Text von Magdalena Stammler
Illustrationen von Norbert Habring

schdodODAlaund #02

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