So ‒ nun da ich dank dieses catchy Titels eure Aufmerksamkeit habe, kann ich ja gleich mit der Tür ins Haus fallen und eines klarstellen: Die gute Quantenmechanik hat in Wahrheit überhaupt keine Schuld am Klimawandel. Diese liegt ausschließlich bei uns Menschen, egal wie man es dreht. Allerdings ‒ und da kann sich die Physik der atomaren und subatomaren Teilchen nicht hinausreden ‒ hat die Quantenmechanik beim Prozess der globalen Erwärmung ganz deutlich ihre Finger im Spiel. (Merkspruch: “Gäb’ es kein Quant, wär’n mehr Gletscher bekannt.”)
Warum der weltweite Klimawandel eine Erscheinung ist, die durch die Quantenmechanik hervorgerufen wird, und warum das vielleicht verwunderlich erscheinen mag, werde ich im folgenden Text illustrieren.
Bevor wir uns aber in die faszinierende Quantenwelt begeben: Regenbogen!
Wir alle kennen und lieben dieses Regenbogenmuster. Ich nehme an, dass außerdem jeder weiß, dass ein bunter Bogen am Himmel irgendwie dadurch entsteht, dass das Sonnenlicht in seine Farben aufgespalten wird. Im Labor kann man solche Muster erzeugen, indem man z.B. weißes Licht durch ein Prisma schickt und es dadurch in sein Farbspektrum aufspaltet. Dieses Spektrum reicht von Blau/Violett bis Rot, wobei die Energie des gebrochenen Lichts in Richtung Rot abnimmt.
Eine sensationelle Entdeckung machte um 1800 der Astronom, Techniker und Musiker Friedrich Wilhelm Herschel, als er die Temperaturen der verschiedenen Regenbogenfarben messen wollte. Herschel platzierte dazu mehrere Thermometer hinter einem Prisma, in welchem er Sonnenlicht brach. Wie ein guter Wissenschaftler es nun einmal so macht, stellte er außerdem ein Thermometer neben das Regenbogenmuster ‒ zu Referenzzwecken. Als er nach einer Kaffeepause (ich gehe einfach davon aus, dass es sich um eine solche handelte ‒ Wissenschaftler sind in der Regel ja verrückt nach Kaffee) zum Experiment zurückkehrte, um die Temperaturen abzulesen, bemerkte er etwas äußerst Seltsames: Das Referenzthermometer, das jenseits des roten Endes des sichtbaren Spektrums platziert war und eigentlich Raumtemperatur anzeigen sollte, gab eine deutlich erhöhte Temperatur an. Egal wie oft er sein Experiment wiederholte, diese Beobachtung blieb unverändert. Was Herschel nämlich entdeckt hatte, war infrarotes Licht! Er fand heraus, dass im Sonnenlicht Farben stecken, die wir nicht sehen können, welche offensichtlich jedoch Auswirkungen auf die physikalische Welt haben.
Heute wissen wir, dass derjenige Teil des elektromagnetischen Spektrums, den wir sehen können, nur ein kleiner Teil dessen ist und es viel mehr Arten von Strahlung gibt, als uns unsere Sinne wahrzunehmen erlauben. Für den größten Teil dieser unsichtbaren Strahlung haben wir seither Unmengen technischer Anwendungsmöglichkeiten gefunden und realisiert. (Kleiner Tipp für ein schnelles Heimexperiment: Richtet eure Smartphone-Kamera auf den Sender einer Fernbedienung und betrachtet diesen am Bildschirm. Drückt nun beliebige Fernbedienungstasten. ‒ Tadaa! Das blinkende Licht des Senders, das ihr dabei seht, ist nichts anderes als infrarote Strahlung, die zur Kommunikation zwischen Fernseher und Fernbedienung zum Einsatz kommt.)
Es gibt also infrarotes Licht. Behalten wir diese Tatsache vorerst im Hinterkopf ‒ sie wird später nochmal wichtig sein.
Wieder zurück zum Regenbogen. Im Jahr 1802 entdeckte William Hyde Wollaston sieben merkwürdige dunkle Linien im Sonnenspektrum. Bei genauerer Betrachtung fehlen der Sonne also sieben Farben, die sich eben als schmale, dünne Linien in ihrem “Regenbogenspektrum” äußern. Huh? ‒ wird sich Mr. Wollaston damals wohl gedacht haben.
Häh? ‒ wird sich zwölf Jahre später der Optiker Joseph von Fraunhofer gedacht haben, als er ebenfalls dunkle Linien im Sonnenspektrum fand. (Häh statt huh vermutlich deshalb, weil Wollaston Engländer und Fraunhofer Deutscher war.) Fraunhofer begann allerdings, diese Linien systematisch zu analysieren, ihre Wellenlängen zu bestimmen und fand viele, viele weitere dieser sonderbaren “Fraunhofer-Linien”.
Später erkannten Gustav Robert Kirchhoff und Robert Bunsen, dass chemische Elemente ein jeweils für sich ganz charakteristisches Muster an Fraunhofer-Linien erzeugen: Jedes Element kann mit einer spezifischen Anzahl und Anordnung dieser Linien in Verbindung gebracht werden.
Was ist jetzt mit dem Klimawandel und der Quantenmechanik?! ‒ Nur Geduld, wir sind schon fast so weit, um diesen Zusammenhang zu verstehen. Ein kleines bisschen dauert’s noch…
Dunkle Linien in einem Spektrum entstehen zum Beispiel, wenn Licht durch ein Gas geschickt wird. Die Atome und Moleküle im Gas bestehen jeweils aus Atomkernen und Atomhüllen. Die Atomhüllen sind nichts anderes als Elektronen (=Elementarteilchen) auf verschiedenen “Bahnen” um den Kern. (Verzeih’ mir diese vereinfachte Darstellung, liebe Quantenmechanik!) Die Bahnen sind von den Anordnungen der Atomkerne in gewissem Sinne vorgegeben und die “Lieblingsbahnen” der Elektronen sind jene, die möglichst nahe am Kern liegen. Akzeptieren wir das einfach mal so, ok?
Führt man einem Atom bzw. Molekül nun Energie zu, so kann es eines seiner Elektronen auf eine Bahn heben, die weiter vom Kern entfernt ist. Die zugeführte Energie muss aber ganz genau auf diesen “Bahnwechsel” abgestimmt sein, denn zu viel oder zu wenig Energie würde das Elektron nicht genau auf die entsprechende Bahn setzen können und in Bereichen zwischen den Bahnen dürfen sich Elektronen nicht aufhalten ‒ da hat die Quantenmechanik nun mal ihre eigenen strengen Regeln.
Bringt man in einen Lichtstrahl (= Ansammlung von Energiepaketen aller Stärken) nun also Gasteilchen ein, so picken sich die einzelnen Gasteilchen ganz bestimmte Energien aus dem Lichtstrahl heraus und verwenden sie, um Elektronen auf “höhere” Bahnen zu befördern. Energien, die von den Gasteilchen nicht für den “Bahnwechsel” verwendet werden können, durchdringen das Gas ungehindert.
Nun entsprechen verschiedene Energien in einem Lichtstrahl ganz einfach verschieden Farben im Spektrum. Als Folge fehlen dem Licht hinter dem Gas somit ganz bestimmte Farben, was sich in nichts anderem als den Fraunhofer-Linien äußert. (Aus nun hoffentlich ersichtlichen Gründen werden die Fraunhofer-Linien auch oft als Absorptionslinien bezeichnet, da sie entstehen, wenn ein Medium bestimmte Farben absorbiert.)
Und was soll jetzt diese Quantenmechanik mit dem Klimawandel zu tun haben? ‒ Einen Moment noch, es wird immer wärmer.
Unser Planet Erde nimmt auf der Tagseite logischerweise ständig Energie in Form von Sonnenlicht auf. Diese Energie ist essentiell für Leben, für Klima, für Wetter, usw… Würde die Erde die tagsüber aufgenommene Energie nicht wieder gleichermaßen auf der Nachseite abstrahlen, so hätte sich unser Planet in den letzten viereinhalb Milliarden Jahren dramatisch erhitzt. Einerseits kann man nun froh sein, dass diese Abstrahlung tatsächlich auch ständig passiert und die Erde praktisch auf einen Netto-Energiehaushalt von Null kommt. Andererseits wäre es auf der Erde saukalt (sogar viel kälter als in meiner Wiener Altbauwohnung im Winter!), wenn dies der einzige Einfluss auf den Energiehaushalt wäre, denn draußen im Weltraum ist es kalt, brrr! Zum Glück gibt es aber so etwas wie den Treibhauseffekt!
Den Treibhauseffekt haben wir der chemischen Zusammensetzung unserer Atmosphäre zu verdanken, speziell den darin enthaltenen Treibhausgasen. Eines der berühmtesten und wichtigsten Treibhausgase ist Kohlenstoffdioxid (CO2), denn es hat eine spezielle Eigenschaft mit bemerkenswerten Auswirkungen: Seine Fraunhofer- bzw. Absorptionslinien liegen in jenem Bereich des Spektrums, den Herschel vor etwa 200 Jahren entdeckte: dem infraroten Bereich. Warum ist das so ausschlaggebend? ‒ Nun, Sonnenlicht, das auf die Erde trifft, durchdringt zu großen Teilen die Atmosphäre (no na net, das sieht man ja). Der Grund dafür ist, dass die Energie des Lichts, für das die Atmosphäre durchlässig ist, nicht in jenem günstigen Bereich liegt, in dem es Elektronen der Atmosphärenteilchen auf andere Bahnen zwingen kann. Somit wird nichts absorbiert und jenes Licht trifft ungehindert auf den Erdboden.
Jetzt kommt der ganze Trick mit dem Treibhauseffekt: Licht, das von der Erdoberfläche (z.B. nachts) abgestrahlt wird, hat eine andere Wellenlänge. Ein kurzwelliges (=energiereiches) Lichtteilchen wird auf der Erdoberfläche in mehrere langwelligere (=energieärmere) verwandelt. Der Energiefluss ist grob gesagt zuvor wie danach der gleiche, doch die einzelnen Lichtteilchen haben durch die Absorption und Emission von der Erde eine andere Energie bekommen. Und wie es der Zufall (bzw. die Statistik) mag, liegt nun ein großer Teil des abgestrahlten Lichts energetisch in jenem Bereich, in dem die Atmosphärenteilchen (z.B. eben CO2) absorbieren.
Da die Atmosphärenteilchen nach der Absorption von abgestrahltem “Erdenlicht” gleich wieder in ihren vorherigen “Lieblingszustand” zurückfallen und dabei aufgrund der Energieerhaltung wiederum infrarotes Licht in eine zufällige (nicht notwendigerweise in die ursprüngliche!) Richtung aussenden, wird ein Teil der Energie, der ursprünglich von der Erde ins Weltall abgestrahlt werden sollte, innerhalb der Erdatmosphäre gefangen und kann nicht mehr von der Erde entweichen.
Punkt. So ist das mit dem Treibhauseffekt.
Wir haben dem Treibhauseffekt einiges zu verdanken (vor allem die mittleren 15°C, anstatt der durchschnittlichen -18°C ohne diesen Effekt). Doch seit vielen Jahrzehnten wird uns der im Grunde ziemlich tolle Treibhauseffekt zum Verhängnis. Wir Menschen setzen zu große Mengen an Treibhausgasen und anderen Substanzen frei, die zur dramatischen Erwärmung des Erdballs beitragen. Dadurch wird immer mehr Energie daran gehindert, in den Weltraum zu entweichen, und unser Heimatplanet erwärmt sich schneller als uns lieb sein kann.
Und all das passiert nur, weil die quantenmechanischen Gesetze die Absorptionslinien der Treibhausgas-Moleküle in den infraroten Bereich des elektromagnetischen Spektrums zwingen. Wer hätte gedacht, dass die “Physik der atomaren und subatomaren Skalen” die Welt auf so großem Maßstab beeinflusst?
Text von Sebastian Templ
Header-Bild: Aufnahme vom Landemodul der russischen Mission Venera 13. Zu sehen ist die Oberfläche der Venus ‒ einem Planeten mit davongelaufenem Treibhauseffekt, welcher für eine mittlere Temperatur von 462°C verantwortlich ist. Aufgrund dieser extremen Verhältnisse überlebte das Landemodul nicht länger als etwa zwei Stunden. (Credit: NASA History Office)
Mehr von ihm könnt ihr auch auf seinem Blog lesen.
Beitrag #01 – Wisst ihr, was das Erstaunliche an der Welt ist?
Beitrag #02 – Vom Apfelstrudel und dem Universum – die großartigste Geschichte