Die grundentspannte Haltung zu Musik

Interview mit Dorian Concept.

Fällt der Name Dorian Concept, geraten Liebhaber der elektronischen Musik vollkommen aus dem Häuschen. Seine Auftritte beim Elevate Festival in Graz und beim Red Bull Music Academy (RBMA) Bass Camp in Wien haben einen neuerlichen Hype ausgelöst, der weit über die österreichische Clublandschaft hinausgeht. Er selbst jedoch bleibt ruhig, freut sich aber natürlich, wie er uns beim Interview im Rahmen des Punsch Deluxe by Unterton erzählt.

Man gruselt sich ein bisschen in den oberen Etagen des Offenen Kulturhauses (OKH), welches einmal Teil des seit Jahren abgerissenen Landesspitals in Vöcklabruck war. Einzelne Schilder mit der Aufschrift „Blutspenden“ oder „Besprechungszimmer“ hängen noch neben Türrahmen, ein metallener Kasten mit unzähligen Schlüsselbünden steht in einem gefliesten Raum, überall alte Sessel, kaputte Geräte, Krempel. Es ist saukalt. Oliver Johnson aka Dorian Concept hat aber zum Glück die warme Jacke mitgenommen. Er wird später im Zuge der Veranstaltung Punsch Deluxe by Unterton im geheizten und entzückend winterlich dekorierten Erdgeschoß live als Headliner auftreten. Graz, Wien, Vöcklabruck? Ungewöhnlich, durchaus. Aber umso großartiger, da sich Oliver seine Auftritte gerne genau aussucht.

„Abstrakt und doch clubinteressiert, aber es muss nicht unbedingt reinhauen“. Er scheint fast bescheiden, was seine Musik angeht. Dennoch hat er seit dem letzten Release (EP Her Tears Taste Like Pearls, 2011) mehr als zwei Jahre an seinem mittlerweile zweiten Album getüftelt, das irgendwann dieses Jahr erscheinen wird. Musikjournalisten sitzen auf Nadeln. Zu Recht, lassen die in Graz und Wien präsentierten Live-Teaser doch Großes vermuten. Vorab-Singles gibt es keine, eine richtige Kampagne auch (noch) nicht. Fest steht nur das Label Ninja Tune – ein britisches Kult-Label, welches neben Dorian Concept noch zahlreiche weitere Elektronikpioniere wie Bonobo, Raffertie und Machinedrum beherbergt. Das internationale Potenzial ist dementsprechend riesig. Der Kontakt zu musikalisch gleichgesinnten heimischen Acts sei aber ebenso inspirierend, meint Oliver. Außerdem wichtig – Hip Hop, Coltrane und sich rarmachen.


Dein letzter Release ist schon ein bisschen her.

Ja, das stimmt, ich hab mir viel Zeit gelassen. Der letzte war 2011. In Zeiten wie diesen wundert es mich eh, dass mich das nicht wirklich gestresst hat. Es gibt ja Leute, die alle drei bis vier Monate irgendwelche Digital-Releases oder EPs raushauen oder Sachen auf SoundCloud stellen. Ich hab mich da ein bisschen zurückgezogen. Also, es war kein bewusstes Rarmachen oder so, aber das erste Album (When Planets Explode, 2009, Anm.) war mehr eine Zusammenstellung aus einzelnen Nummern, die herumgelegen sind und mit dem zweiten will ich jetzt mein erstes Gesamtwerk veröffentlichen.

Mir ist eh aufgefallen, dass du auf SoundCloud nur sehr wenige Tracks hast.

Ich lösche immer wieder sehr viel, weil ich finde, dass das Internet auch oft zu einer Art Lagerstätte für Sachen verkommt. Das wirkt dann immer trostlos. Also, wenn da jetzt Nummern von vor drei oder vier Jahren auf der Page wären, dann würde das nicht mehr das widerspiegeln, was ich mache. Ich hab insgesamt bestimmt schon zehn Sachen hochgeladen und wieder gelöscht. Hat sich richtig angefühlt.

Du hast gesagt, du machst dich nicht bewusst rar. Lustigerweise habe ich aus mehreren Quellen erfahren, dass du extrem schwer zu erreichen bist, auch von Freunden von dir.

Echt? (lacht.)

Heißt das Handy ausschalten, offline gehen und einfach hochkonzentriert arbeiten?

Ja. Das ist aber mehr eine Persönlichkeitseigenschaft, als dass das direkt mit mir als Musiker zu tun hat. Ich bin ein Mensch, der dieses Zurückziehen braucht. Auch wenn ich dann nicht unmittelbar Musik mache, kann es schon sein, dass ich mich dann in einer Art Selbstfindungsprozess befinde. Es ist weniger eine bewusste Entscheidung. Es sind auch nicht nur Musikjournalisten, die mich dann zu erreichen versuchen, sondern Leute, mit denen ich ausgemacht habe, auf ein Bier zu gehen und ich mich dann wieder einmal nicht gemeldet habe. Ich bin teilweise ein bisschen altmodisch, was das angeht. Social Media nutze ich auch nicht so. Ich frage mich, ob das ein Standard für die Zukunft wird, dass die Künstler im Kontakt mit ihrer Fanbase aktiver sein müssen.

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Du bist nicht recht viel unterwegs gewesen in letzter Zeit, oder?

Das Jahr war das mit den wenigsten Auftritten seitdem ich dieses Dorian Concept-Moniker habe. Das lag natürlich einerseits daran, dass ich viel im Studio sein wollte, um zu arbeiten, aber andererseits an den Promotern, die sich nicht sicher waren, in welchem Kontext sie mich buchen sollten, weil die letzte Veröffentlichung einfach schon länger her ist. Aus den Augen, aus dem Sinn. Ich habe aber schon coole Auftritte gehabt, ich war beim Outlook-Festival auf der Bühne von Benji B. und bei der Red Bull Music Academy bin ich derzeit viel involviert. Da war letztens auch das Bass Camp in Wien. Aber so wird einem auch klar, wer sich wirklich stark mit dir beschäftigt hat. Die Leute, die dich nach über zwei Jahren trotzdem noch buchen, sind jene, die eine hohe Meinung von dir haben. Genauso bei den Unterton-Jungs, die ich seit ein paar Jahren kenne.

Genau, Bass Camp. Es haben ja auch internationale Größen wie Four Tet oder Jacques Greene gespielt. Im Nachhinein haben aber alle nur von dir gesprochen. Warst du so gut oder waren alle anderen so schlecht?

Ich glaube, wenn ich in London vor Four Tet gespielt hätte und da seine Crowd gewesen wäre, vor der er sein neues Album präsentiert hätte, wäre das wohl auch anders gewesen. Das ist immer sehr publikums- und kontextabhängig. Ich will nicht sagen, dass ich einen Heimvorteil hatte, aber vielleicht habe ich dadurch, dass ich nach ihm gespielt habe, einen Vorteil gehabt. Nach einem Headliner zu spielen kann einerseits ein sehr komplizierter Spot sein und andererseits, wie in dem Fall, ein sehr guter.

Beim Elevate Festival war das ähnlich irre, nicht?

Das stimmt, das war auch echt gut.

Es ist beeindruckend, dass du trotz deines Rarmachens nach zwei Auftritten in Österreich wieder so einen Hype ausgelöst hast.

Bei mir ist es so, dass ich die Leute nicht zu sehr in die Zwischenschritte einweihen will. Ich glaube, dass es interessanter ist, wenn sich beim Künstler wirklich etwas verändert hat und man das dann im Gesamtpaket gezeigt bekommt, als alle drei Wochen upgedatet zu werden. Das würde die Magie ein bisschen killen.

Sagst du viele Auftritte ab?

Das ist schwer zu sagen. Es gibt Anfragen, bei denen der Rahmen nicht so passt. Es gibt Leute, die einfach einen Namen buchen, aber nicht wirklich wissen, was du eigentlich machst. Ich halte auch viel von Loyalität. Das Elevate Festival war das erste Festival, auf dem ich jemals gespielt habe, deswegen habe ich dort dann die neuen Sachen präsentiert.


Kann man sich von Wandl und Salute, die ja noch relativ jung sind, etwas abschauen?

Die ganze Zeit, ja. Gerade beim Bass Camp bin ich wieder superinspiriert hinausgegangen. Es ist nicht so ein Lernen, bei dem man sich Techniken abschaut oder man über technische Sachen redet, sondern eher ein Verhaltens- und Zugangsding. Sie haben mir beispielsweise Yung Lean gezeigt, einen jungen schwedischen Rapper. Wenn ich den alleine gesehen hätte, hätte ich wahrscheinlich die Komik in seiner Musik nicht gesehen und mir gedacht, oke, schlecht. Wenn man sich aber mit Leuten umgibt, die auch generationstechnisch einen besseren Zugang haben, dann ist das anders. Ich hab sonst eher weniger Kontakt mit Teenagern, deswegen war das voll interessant für mich, mit Leuten zu reden, die so super Sachen machen und auch diese grundentspannte Haltung zu Musik haben.

Wie wichtig ist Jazz für dich? Wie verstehst du Jazz als Fundament deiner Musik?

Mein Verständnis von Jazz ist vielleicht ein bisschen anders, weil ich es nicht gelernt hab. Ich wollte es immer studieren, aber ich habe nie Noten lesen können, darum habe ich mir ein eigenes Bild gemacht. Es gibt da eine Handvoll Leute, also Coltrane oder McCoy Tiner, das sind Ikonen. Produktionstechnisch nehme ich nicht so viel vom Jazz mit, das wäre eher Anti-Jazz, aber dafür vom Zugang. Gerade bei meinen Auftritten ist Improvisation sehr wichtig. Es ist eine Spielwiese, obwohl es ein elektronischer Gig ist.


Hip Hop?

Das war die erste bewusste Musikrichtung für mich. Alles davor war hauptsächlich vom Radio gefüttert. Es ist auch mein Hauptinteresse in Richtung Popmusik. Ich hör mir eher das neue Kanye West-Album an und schaue, was Busta Rhymes macht, als dass ich mich erkundige, was die Smashing Pumpkins veröffentlicht haben.

Sind Remixe eigentlich lustig? Warum entscheidet man sich dafür, einen Song zu remixen?

Es gibt Auftragsremixe, die man macht, weil man Geld braucht. Ich verstehe jeden, der das macht. Dann gibt es Nummern, die einem richtig zusagen und bei denen man ein Potential sieht, diese in eine andere Richtung zu ziehen. Bei mir war das bisher immer eine Art alles-durch-den-Fleischwolf-Drehen und dann zu schauen, was rauskommt. Ich war nie ein guter Remixer, deshalb mache ich auch wenige. Es wird irgendwann eine eigene Nummer. Am Anfang versuche ich, das traditionell anzugehen, dann bin ich frustriert und wurschtel daran herum, bis ein Loop entsteht, der klingt, als hätte ich ihn selbst gemacht. Das verliert dann total den Bezug zum Original. Auf SoundCloud gibt es immer Leute, die einen anhauen, aber sonst passiert da nicht viel. Vielleicht wissen die das auch. Ich bin schwer zu erreichen und kein guter Remixer. (lacht.)

Interview von  Nicole Schöndorfer
Fotos von Karin Hackl

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