Hätte man den Begriff der Ausnahmeband noch nicht als abgedroschenes Musikjournalisten-Geschwurbel abgetan, würde man Elektro Guzzi zweifellos als solche bezeichnen. So nennt man sie eben die beste Technoband der Welt. Auch nicht schlecht.
Sie selbst sehen das natürlich anders. Bernhard Breuer (Schlagzeug), Bernhard Hammer (Gitarre) und Jakob Schneidewand (Bass) hüten sich vor zu viel Lob. Sie stapeln lieber ein bisschen tief. Auch beim besinnlichen Interview im OKH Vöcklabruck im Rahmen des nachweihnachtlichen Punsch Deluxe-Festivals wirken die drei bescheiden, gelassen und tun so, als wäre es keine große Sache, Kritikern und Fans mit jedem Album zumindest metaphorische Tränen der Freude zu entlocken.
Vor allem auf der Bühne schaffen Elektro Guzzi eine musikalische Intensität, wie sie kaum ein House-Produzent jemals hinbekommen könnte. Jeder, der sie bereits live erlebt hat, wird das mit einem „Amen“ und über dem Kopf zusammengeschlagenen Händen bestätigen. Wie sie das machen? Mit Gitarre, Bass und Schlagzeug. Es gibt keine Synthesizer, keine lustigen Effekte, keinen Schnickschnack. Und doch ist es Techno pur.
Wie ist es eigentlich so, die beste Technoband der Welt zu sein?
Jakob: Es ist eine Lüge.
Aber es gibt Schlimmeres oder?
Jakob: Ja. Wir sind froh, dass uns viele Leute so wohlgesonnen sind. Es gibt aber auch Übertreibungen.
Bernhard H.: Wir sind ja sehr selbstkritisch. Dadurch trifft uns so etwas doppelt hart, weil wir dann noch viel kritischer sind mit dem, was wir machen. Wir kriegen viel zu wenige schlechte Kritiken. Das ist ein echtes Problem für uns. Damit können wir nicht umgehen. Jede schlechte Review wird gefeiert!
Bernhard B.: Aber dieses Band-spielt-Techno-Ding hat uns schon viel geholfen, das war ein guter Aufhänger für uns, dass wir als so etwas Einzigartiges gesehen werden. Wir haben das selbst ja nie so empfunden oder geplant.
Aber welche schlechten Kritiken hat es denn gegeben?
Bernhard H.: So richtig zerrissen worden sind wir eh noch nicht.
Bernhard B.: Aber es gibt doch viele Puristen, die es als problematisch empfinden, dass da eine Band auf der Bühne steht und diese Techno-Musik, die man eigentlich ganz anders erzeugen sollte, mit klassischen Instrumenten spielt. Der Kontext wird oft nicht so akzeptiert.
Inwiefern?
Bernhard B.: Naja, dass da halt nicht der DJ hinter seiner Kanzel steht und die Leute dazu tanzen, ohne zu wissen, wer die Musik macht.
Jakob: Es war immer der Plan, dass wir uns auf der Bühne zurücknehmen. Es geht uns jetzt nicht darum, eine Show zu machen. Wir könnten auch hinter einem Vorhang spielen. Wir wollen wirklich nur die Musik im Vordergrund haben.
Wie kommt man auf die Idee, Techno mit klassischen Instrumenten zu machen?
Bernhard H.: Es ist eher so passiert. Wir haben die Musik gehört, die uns getaugt hat und angefangen, sie nachzuspielen. Wir hatten auch keine Ahnung, wie herkömmlicher Techno produziert wird. Deshalb sind wir da ganz unvoreingenommen an die Sache herangegangen.
Bernhard B.: Techno ist ja auch mit Instrumenten entstanden. Die hatten halt einen Synthesizer und eine Drum Machine. In der Außenwahrnehmung sind Schlagzeug, Bass und Gitarre das große Ding auf der Bühne. Es ist dieses Rockband-Format, das total anders klingt. Aber für uns war das nicht mehr oder weniger als das, was die Produzenten mit ihren Synthesizern gemacht haben.
Muss man auf der Bühne nicht extrem aufeinander eingespielt sein, wenn man so filigrane Sounds spielt? Seid ihr da jemals locker?
Jakob: Wir probieren, so konzentriert wie möglich zu sein. Aber trotzdem locker. Das ist eigentlich die wahre Herausforderung.
Bernhard H.: Aber wir sind eine richtige Probe-Band. Wir proben gerne und viel und eben auch, die Konzentration zu halten, Bögen zu schaffen.
Ist es dabei überhaupt möglich, zu improvisieren?
Jakob.: Joa. Das üben wir auch viel. Es ist jetzt nicht mehr so viel improvisiert wie vor fünf, sechs Jahren, es ist jetzt schon viel klarer. Die Track-Abfolge und so. Die Improvisation passiert mit gewissen Einschränkungen, in den Übergängen, in den Längen von den Stücken. Wir müssen schon aufeinander hören, sonst geht es nicht.
Bernhard B.: Die Momente sind dann die besten. Wo sich alles verselbstständigt.
Was war euer bester Guzzi-Moment bisher?
Bernhard H.: Ganz subjektiv? In Mexico in Acapulco im Pool sitzen und Cocktails schlürfen.
Und der schlechteste?
Jakob: Die finden meistens im Studio statt. Ideenlosigkeit.
Bernhard H.: Auf Tour sind die schlechten Momente ja immer auch von außen verursacht. Zumindest kann man sich darauf hinausreden. Im Studio geht das nicht.
Bernhard B.: Dann streiten wir halt. Oder schieben es auf den jeweils anderen.
(Schauen sich gegenseitig an, lachen.)
Ihr wart ja sehr umjubelt nach eurem Auftritt beim Eurosonic 2012. Mit Bilderbuch bahnte sich Ähnliches an. Was macht euch so konkurrenzfähig im internationalen Bewerb?
Bernhard B.: Ich kenne Bilderbuch nur ganz wenig, ehrlich gesagt. Auf uns bezogen war es so, dass beim Eurosonic hauptsächlich Indie-Bands aufgetreten sind. Da haben wir uns also schon musikalisch abgehoben. Es war der Moment, der Tag, der Raum, die Zeit – es hat einfach alles perfekt gepasst für uns. Es hätte genauso gut anders sein können. Dann wäre halt nichts passiert.
Jakob: Ich glaube aber, dass dieses Eurosonic aus der Business-Perspektive vielleicht gar nicht so wichtig war für uns wie andere Gigs. Das erste Mal beim Sónar zum Beispiel. Das war für uns für den Bekanntheitsgrad in der Szene sehr wichtig. Beim Eurosonic waren wir vielleicht ein bisschen die Außenstehenden, die Joker.
Nervt es, ständig diese Österreicher-Konnotation herumziehen zu müssen? So „die sind aus Österreich und voll gut.“
Bernhard H.: Das passiert uns gar nicht so oft.
Bernhard B.: In der elektronischen Musik ist es tatsächlich eher so, dass die Szene schon so internationalisiert ist, dass es gar nicht mehr wichtig ist, wo jemand herkommt. Es wird nicht wirklich wahrgenommen. Im Indie-Bereich ist alles noch ein bisschen lokaler verankert, glaube ich. Wir werden nie als „die Österreicher“ wahrgenommen.
Jakob: Außer in Österreich.
Warum seid ihr oder bleibt ihr bei Macro in Berlin?
Jakob: Die sind mittlerweile sehr gute Freunde von uns geworden und haben uns von Anfang an unterstützt. Sie haben immer gute Arbeit gemacht. Wir haben einfach keinen Grund, das zu ändern.
Bernhard B.: Für die Größe passiert bei dem Label einfach wahnsinnig viel. Würden wir einen nächsten Schritt machen, dann wären wir schon bei einem Label, das 100 Artists betreut. Macro sind sehr speziell, haben gute Kontakte und machen eine Arbeit, die der eines großen Labels gleichkommt. Deswegen bringt uns das mehr, als wenn wir bei Kompakt oder so wären, wo wir nur eine kleine Randnotiz wären.
Bernhard H.: Musikalisch brauchen wir da überhaupt keine Kompromisse eingehen. Wir versuchen ja auch, möglichst kompromisslos zu arbeiten.
Bei euch wirkt immer alles sehr aufgeräumt, es gibt kein großes Tamtam. Von den Videos über die Live-Performance bis zu den Pressefotos.
Bernhard H.: Das liegt immer auch an den Leuten, mit denen wir arbeiten. Unser Fotograf ist der Klaus Pichler, mit dem arbeiten wir schon seit der ersten Platte zusammen. Das ist so sein Stil. Das passt uns so.
Bernhard B.: Wir sind extrem schlecht, was Visuelles angeht. Wir versuchen, uns etwas zu überlegen und das ist dann immer ein Desaster.
Lustig. Es wirkt so, als wärt ihr da voll gut darin.
Bernhard B.: Ja, das sind die Leute, die hinter uns stehen.
Jakob: Ohne all die… Das würde niemand sehen wollen. (Alle lachen.)
Ihr würdet euer Cover im Paint malen.
Bernhard B.: Genau.
Interview von Nicole Schöndorfer
Fotos von Karin Hackl
Links:
Elektro Guzzi – Acid Camouflage
Elektro Guzzi – Pentagonia
Twitter – Nicole_Schoen