Spärliche Beleuchtung, die die unzähligen Graffitis an den umliegenden Wänden des Schl8hof-Geländes erhellt, eine Handvoll junger und älterer Leute, die sich in Gespräche vertieft, sich genussvoll ihren Zigaretten hingibt und ein paar bekannte Gesichter, die mich mit einem freundlichen Grinsen bemerken.
Beim Hineingehen erkenne ich schon einige Leute, die darauf warten, dass die schwere Türe, die in den Konzertsaal führt, geöffnet wird. Ich vernehme leise Musik aus der Richtung der Bar, die aber nicht groß beachtet und von dem murmelnden Geräusch der vielen Unterhaltungen übertönt wird.
Der Geruch von Kirschkuchen. Die Gäste trudeln langsam, sehr langsam ein. Endlich wird die Türe zum Konzert geöffnet und alle tauchen in die berauschende Atmosphäre, die der Konzertsaal bietet, ein. Es ist dunkel, nur ein leichtes, rotes Licht beleuchtet die leerstehenden Instrumente auf der Bühne. Der Anblick wirkt außergewöhnlich ästhetisch.
Leise und kaum merkbar schleichen drei junge Männer hinter die Instrumente und reißen mit einem durchdringenden und unüberhörbaren Schlagzeug-Drum die sitzenden Leute von ihren Hinterteilen. Sie stellen sich nicht vor, aber ich höre an dem Sound: Es sind Bulbul.
Beim Namen Bulbul muss ich plötzlich an Bullen denken und mir kommt der groteske Gedanke, dass genau da, wo die Band gerade die Töne anschlägt, bis vor circa 40 Jahren die Schweine des Schlachthofs „gestochen“ wurden. Rund 200 Tiere pro Tag wurden hier von 1910 bis 1978 geschlachtet. Die Tötungshalle der Rinder befand sich am jetzigen Feuerwehrgelände, welches direkt an den Schlachthof grenzt. Der Viehmarkt befand sich da, wo jetzt die coolen Welser Skater ihre Tricks üben und die niedrige Mauer vor dem Jugendzentrum D22, die heute höchstens noch als Sitzplatz genützt wird, führte die Schweine von den Stallungen ins Schlachthaus.
Die unglaubliche Lautstärke der Bulbul-Töne reißt mich aus meinen Gedanken und ich überlege, ob ich je einen lauteren Sound gehört habe und ob ich morgen noch genauso gut hören können werde, wie bis jetzt. Es mag wohl daran liegen, dass ich so in Gedanken versunken war, aber bis jetzt habe ich noch keinen Gesang vernommen. Das fällt aber kaum auf, da die kräftige Instrumentalmusik alle Aufmerksamkeit ohnehin an sich zieht und die Menge hin und her wippen lässt.
Nachdem der Schlachthof eingestellt wurde, nutzte die Feuerwehr das Gelände bis 1981 als Depot und Garage. Als dann auch die Feuerwehr wieder vom Schlachthofgelände „ausgezogen“ war, nutzten diverse Kulturinitiativen schon den oberen kleinen Saal. 1985 beschlossen die kulturellen Welser Bewegungen KI (Kulturinitiative), der Kulturverein „1Topf“ und die Kulturaktion „Impulse“, dass man aus dem leerstehenden Gelände etwas machen müsste und gründeten das Kulturzentrum Alter Schl8hof Wels. Die Renovierungsarbeiten waren nach der Verlassenschaft des Schlachthofs und der Feuerwehr dementsprechend aufwändig und mit unangenehmen Gerüchen verbunden, doch die Mitarbeiter hielten sich standhaft an das Motto „Sau raus, Kultur rein!“, das auch die ersten Werbungen für den Alten Schl8hof geprägt hatte.
Bulbul spielen ihr neues Album „Hirn fein hacken“, passen also relativ gut in den Alten Schl8hof und auch die Musik selbst passt erstaunlich gut zum Gedanken des Schlachtens. Man schaut Bulbul wirklich gerne beim Musizieren zu, dabei, wie sie die harten Töne anschlagen und sich so taktvoll zu den Metal-artigen Tönen bewegen. Die Menge wirkt beeindruckt und gefesselt von den drei jungen Männern und versucht die tanzenden Bewegungen so gut hinzubekommen, wie der Gitarrist Manfred Engelmayer.
Mit einem verwirrenden Gewusel aus dem gleichzeitig-Reden der Musiker, das die Halle verstummen lässt, neigt sich ihre Vorstellung dem Ende zu und so, wie damals so viele Schweineleben genau hier in diesem Raum ihr Ende nahmen, verabschieden sich auch Bulbul mit einer letzten Zugabe.
Eine Reportage von Nele Hazod (YOUKImagazin-Redaktionsteam)