Gimme some Mozes and the Firstborn

Am 22. Mai 2014 fanden sich die vier Niederländer Melle Dielesen (Gesang, Gitarre), Ernst-Jan van Doorn (Gitarre), Corto Blommaert (Bass) und Raven Aartsen (Drums) im OKH ein, um dort mit einer geballten Ladung Energie die BesucherInnen mitzureißen – in die gute alte Welt des 90‘s Rocks mit Garagenbandgefühl. Mozes and the Firstborn haben sich im letzten Jahr einen relativ großen Namen gemacht. Nicht nur in den Niederlanden. Seit dem Erscheinen ihres Erstlingswerks Anfang 2013 geben sie ziemlich Gas und sind am aufsteigenden Ast was das internationale Interesse betrifft. Hierzulande waren sie nun schon zum vierten Mal und diesmal tauchten sie selbst im öffentlich rechtlichen Fernsehen auf. „Weltfrieden“, scherzte der Sänger Melle neulich in der ZIB 24, wolle er verkünden, aber wie prophetisch sind die Jungs wirklich drauf? Gscheid reinhaun können sie jedenfalls, das haben sie bei ihrem Auftritt ganz klar zum Ausdruck gebracht. Das verschmitzte Grinsen bei I got skills weckt weitgehend amüsierte Gesichter. Die Selbstironie steht ihnen ins Gesicht gschrieben. Aber Skills haben sie definitiv und wohl auch nichts dagegen, damit noch mehrere Türen zu öffnen, um im Idealfall doch die neuen Rock-n-Roll-Helden zu verkörpern.

Doch zunächst heißt das mal spielen, spielen, spielen. Im letzten Jahr waren sie mehr unterwegs als zuhause. Einen großen Schritt machten sie letzten September, als sie sich auf den Spuren ihrer musikalischen Vorfahren an die Westküste Amerikas aufmachten, promotet von ihrem Label Burger Records in Kalifornien. Wie sie dazu kamen? „Das haben wir Traumahelikopter zu verdanken“, meint der Schlagzeuger Raven, „die sind aus Groningen, es war am Noorderslag Festival vor zwei Jahren glaub ich. Damals haben sie jemanden von Burger einfliegen lassen, um ihre Show anzusehen und der hat uns dann auch gesehen, weil wir davor spielten. Dann fand er unsere Musik auch sehr geil. Damals haben sie zunächst eine Kassette von unserer Platte rausgebracht und ein Jahr später die echte Platte, die CD mit der PR, die dazu gehört.“ Zufall gibt es nicht, besagt ein niederländisches Sprichwort. Das bedeute soviel wie manchmal hat man eben Glück, meinen sie. Wenn man etwas dafür tut. Aufgenommen hatten sie das Album übrigens schon in den Niederlanden, direkt in ihrem alten Proberaum im Keller von Melle’s Mutter.


Urlaub haben sie angeblich nie. Und irgendwie doch immer ein bisschen. Im Vergleich zu Amerika fühlen sie sich beim Touren in Europa richtig verwöhnt. Corso: „Auf jeden Fall, wenn man nach Österreich kommt, da bekommst du Essen, Apfelstrudel, es wird dir ein Schlafplatz angeboten und all das, während es in Amerika eher so ist, dass du selbst bestimmst, inwieweit du Komfort genießt…“ Nach der harten Schule in Amerika, wo ein Backstage-Bereich, Verpflegung und Quartier in dieser Klasse offenbar nicht zum Standard gehören, schätzen sie die Qualität in hiesigen Breitengraden noch mehr. Als Vorband bekamen sie oft nicht einmal die Zeit zum Soundchecken. „Das war mehr „einstecken und ja, ich glaub ich hör mich schon einigermaßen, los geht’s“ “, erzählte Melle, „hier haben wir fast eine Stunde Soundchecken können, was ein enormer Luxus ist. Denn dann können wir unseren Fokus auf ganz andere Dinge legen, als darauf, ob es eh okay klingt. Neue Nummern durchspielen zum Beispiel.“ Noch bevor ihre Tour nach Deutschland weitergeht und der Festivalsommer anfängt, beginnen sie übrigens in ihrer einwöchigen Tourpause schon mit der Arbeit an ihrem zweiten Album.

Bei der Wahl eines so prophetischen Namens könnte man meinen, sie hätten als Band eventuell auch prophetische Absichten. Melle las als Kind zwar gern in der Kinderbibel, aber von „Christian Rock“ sind sie weit entfernt. Die Inspiration für ihren Namen kam übrigens nur indirekt aus der Bibel, eigentlich vielmehr von den DreamWorks Animation Studios und ihrer Verfilmung The Prince of Egypt. Auf jeden Fall eine ziemlich kraftvolle Persönlichkeit, deren Namen sie sich leihen. Bestimmte Weltanschauung haben sie aber keine. Auch keine Botschaft? „Nein, eigentlich nicht. Naja vielleicht doch, „Get rich and die trying“ und „Legalize!““ wurde lachend hinzugefügt. Aber im Grunde geht’s wohl einfach um guten Sound und der spricht für sich. Dafür braucht es keine großen Worte.

Apropos Worte. Bei ihrer ersten Tour versuchten sie’s mit einem Tourtagebuch, aber haben‘s nach vier Tagen wieder gut sein lassen, weil viel zu viel passierte und es ihnen wichtiger schien, es einfach direkt zu erleben, als ständig mit dem Dokumentieren beschäftigt zu sein. „Das ist wie mit den Leuten, die zum Beispiel zu einem Konzert gehen und es dann durch ihr Telefon anschauen, um es auch echt zu erleben…“ Sie lachten und stellten fest, jetzt hat Corso doch noch ein kleines Stück Botschaft mitgebracht. Spaß haben die vier offenbar auf jeden Fall. Sie nehmen‘s mit Humor, auch wenn sie’s gleichzeitig ziemlich ernst meinen mit ihrer Musikkarriere.


Aber auch sie fingen einmal ganz klein an. Der Bassist Corso erzählte zum Beispiel von seinem ersten Proberaum, der seinem Namen „die grindige Matratze“ alle Ehre machte. Mit seiner ersten Band traf er sich dort zum Feiern und Proben. Die Räumlichkeiten gehörten zu Burgers, einem Kultcafé in Eindhoven, ein 1991 besetztes Gebäude, das im Jahr darauf von einer Gruppe gemeinsam gekauft wurde, ausgerufen zu einer Stiftung für unabhängige Projektentwicklung. Dreimal pro Woche gibt es dort kostengünstig vegetarisches Essen in gemütlicher Atmosphäre. Ich erinnere mich mit Freuden an diesen Ort, denn lustigerweise habe ich in meiner Hollandzeit nämlich genau in der gleichen Stadt gewohnt.

Mit der Hausbesetzerszene haben die Jungs sonst nicht viel am Hut, nur ab und an haben sie Partys besucht, bei der Bank zum Beispiel: Fort Knox. Das war eine ziemlich große Besetzung Anfang 2010, eine Ho-ruck-Aktion á la Robin Hood:  ein ehemaliger Geldbunker der niederländischen Bank, besetzt von leicht anarchistisch angehauchten Freigeistern. Selbst haben sie nie was besetzt. Allerdings wohnten sie zum Teil über Antikraak-Organisationen in riesigen leerstehenden Abbruchhäusern. Das funktioniert so, dass kommerzielle Organisationen mit Eigentümern leerstehender Häuser Verträge machen, um deren Gebäude quasi zu beschützen, indem sie es offiziell an jemanden vermieten, der sich um das Haus kümmert und sozusagen darauf aufpasst. Die Idee leerstehenden Raum zu nutzen, bleibt trotz fraglicher Praktiken jedenfalls sinnvoll. In einem solchen Gebäude hatten sie übrigens auch ihre erste Bandprobe und 2011 haben sie dort ihre erste EP I got Skills aufgenommen. Nach diesen kleinen Seitenblicken in die niederländische Gesellschaft, bleibt zum Abschluss nur noch zu sagen: Gimme some, gimme some, gimme some… rock’n’roll!

Wer Lust hat, kann sich das diesem Artikel zugrunde liegende Gespräch mit Mozes and the Firstborn im Waidenpavillon des OKH-Gartens hier im niederländischen O-Ton anhören:

Ein Text + Interview von Lisa Lehner
Fotos von Karin Hackl

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